Flüchtige Intimität
Intim ist der Augenkontakt,
Intim ist ein Kuss auf die Lippen,
Intim ist, wenn ein Mensch nackt vor dem Spiegel steht.
Intim ist nackt auf der Straße rumzulaufen,
Intim sind der Raum, der Ort, die Toilette und das Badezimmer.
Intimität ist die Gelassenheit,
All die Hemmungen fallenlassen,
All das beseitigen, was stets über dem Fremden,
Immer im Vordergrund steht.
Intim ist ein leerer weiß gestrichener Raum.
Die Stille der Nacht ist intim.
Oder die Berührung einer fremden Hand.
Intim war das Jahr 2015,
In einer offenen Sporthalle,
Im Keller eines Polizei-Reviers.
Vierzig Feldbetten nebeneinander, 4 Duschkabinen, 2 Toiletten,
Vierzig Männer ab 18 Jahren,
Aus unterschiedlichen Ländern,
In unterschiedlichem Alter.
Die Zwillinge schliefen immer im Eck.
Man konnte nicht nackt schlafen,
Unter der Decke,
Bis zum Hals angezogen,
Das war ihr einziger Privatraum.
Monatelang oder manche sogar ein Jahr
Lebten sie zusammen.
Körper an Körper, der Geruch im Vorraum,
Der Gestank der Schuhe in den hitzigen Sommertagen.
Die Atmung, der Blick, jeder Mensch in dieser Halle
War voller Trauer.
Ich werde hier verrückt!!!
Sagten sie mehrmals nach dem Duschen.
Im selben Jahr zur selben Zeit,
In der nahegelegenen Flüchtlingshalle
Waren 450 Menschen unter einem Dach untergebracht.
Alle zusammen mit kleinen Kindern,
Die Betagten sind in der Zahl inkludiert,
Beeinträchtigte gab es kaum.
Raum neben Raum,
Durch eine undurchsichtige graue, raue Zeltplane voneinander getrennt,
Über den Köpfen nur das riesige Hallendach zu sehen.
Dort blieb nichts verborgen,
Jeder konnte alles hören,
So viele Stimmen und unterschiedliche Sprachen,
Der Geruch des neugeborenen Kindes überall in der Luft,
Kindergarten war zu dieser Zeit zu.
Intimität schreibt man in dieser Halle mit kleinem „i“
Weil man nachts nicht schlafen kann,
Wenn der Nachbar mitten in der Nacht telefoniert,
Wenn die kleinen Kinder weinen,
Wenn der Man im Nebenraum Geschlechtsverkehr mit seiner Frau hat,
Oma klagt über Schmerzen,
Sie lassen nicht nach,
Jemand soll den Krankenwagen rufen!!!
Bei so vielen Menschen,
Keine Seltenheit.
Wo sind die ruhigen Nächte geblieben?
All die Abende, die sie in ihrer Heimat mit Freunden und einem Tee
Gemütlich genießen könnten,
Bevor der blaue Himmel von der Wucht der Bomben dunkelrot wurde.